Montag, 8. April 2013

„Am Ende wird alles gut. Und wenn noch nicht alles gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende.“

Seit der Aufgabe der Backstube im November letzen Jahre ist viel Zeit vergangen. Ein halbes Jahr. Ich habe fast mein gesamtes Equipement verkauft oder verschenkt und einiges behalten. Ich habe mir stückweise wieder einen Alltag geschaffen. Ich habe zwei Nebenjobs und endlich wieder mehr Freizeit. Ich habe Zeit für Dinge, die ich schon ewig mal machen wollte: Wieder mit Stricken anfangen, kleine Dekosachen in der Wohnung basteln, neue Rezepte kochen oder backen und Zeit mit meinen Freunden verbringen, wofür ich sonst nach der 70-80 Stunden Woche einfach keine Kraft und Lust mehr hatte.
Heute packe ich schlussendlich meine letzten Dokumente von Ediths weg, die bisher noch auf meinen Schreibtisch gelegen hatten. Ja ich habs nicht übers Herz gebracht.
Ja ich habe einige Angebote erhalten Ediths weiterzuführen, aber entweder kamen sie zuspät, sie waren nicht ernst gemeint oder ich hatte innerlich einfach irgendwann damit abgeschlossen, dass der Traumjob, so wie ich ihn mir vorstelle nicht machbar ist.
Ich weiß, dass ich für viele Ideengeberin, Mutmacherin und vielleicht sogar Vorbild war. "Zähne
zusammenbeißen, irgendwann wird's schon gut und erfolgreich werden." Das war immer mein Mantra, aber es ist nicht aufgangen. Hätte ich eine wohlhabende Familie, die mich im schlechten Monaten mit Geldgeschenken versorgt, hätte ich nicht schließen müssen. Also für alle, die dieses Glück haben, seid dankbar, es ist nicht selbstverständlich! Aber ich hatte dieses Glück nicht, also musste ich mich der Wahrheit stellen: Deine Ansprüche an die Produktion, die Produkte, das Personal sind einfach zu hoch, als das der Markt sie bezahlen könnte. Hinzukommen den alten Schulden, die mir die Luft zum Atmen und Agieren genommen haben. Ich habe etliche Varianten die letzten Monate durchdacht und durchgerechnet, aber keines ist wirklich auf lange Sicht bzw. ohne immensen Kapitalbedarf einträglich. Weder ein kleines Café, noch nur eine Produktion oder ein kleiner Einzelhandel mit ausschließlich meinen Produkten und so wie ich es vorher geführt habe schonmal gar nicht. Das ist extrem traurig, frustierend und enttäuschend. Schließlich hat mir Ediths eine Identität gegeben, eine Daseinberechtigung, den Sinn im Leben, den wir alle suchen. Natürlich habe ich einen unglaublichen Freund, eine fantastische Familie und super Freunde, auf die ich immer zählen kann. Aber der Mensch braucht einfach eine Aufgabe, etwas was ihm täglich die Kraft gibt aufzustehen, weiterzumachen und durchzuhalten, wenn es mal nicht sogut läuft. Aber was ist wenn sich diese Aufgabe als Illusion entpuppt? Als etwas, was nie wirklich so war, wir man es sich vorgestellt hat? Ediths hat mir nie, zu keiner Zeit meinen Lebensunterhalt finanziert. Das war immer ausschließlich das Jobcenter und wenn das nicht gereicht hat, dann auch andere Menschen, die mir geholfen haben.
Ich habe das solange es ging verdrängt, bis es eben nicht mehr ging. Natürlich habe ich das wirtschaftliche Denken gelernt, ich habe gelernt darauf zu achten, worauf es ankommt, aber es war zu spät. Ich war schluderich, wie man bei uns sagt. Habe wichtige Dinge vernachlässigt um mich den Lustigen und Aufregenden zu widmen.
Ich habe unglaublich viel gelernt. Mehr als ich wohl in keinem anderen Job, selbst in einer Führungsposition gelernt hätte. Wie man man mit Menschen umgeht, mit Kunden, Partner, Mitarbeitern. Habe viele Fehler gemacht und viel reflektiert. Ich habe Marketingstrategien entwickelt, eine stimmige Identität geschaffen und damit Erfolg gehabt. Ich habe viel über Geschmäcker, Lebensmittel, deren Eigenschaften und Möglichkeiten gelernt, die ich hoffentlich nie vergessen werde. Ich habe unglaublich tolle Menschen kennengelernt, ich habe Talente in mir entdeckt von denen ich nichts geahnt hatte und ich habe gelernt was wichtig ist:
Das Leben selbst. Zeit haben es zu genießen. Was macht es für einen Sinn durch einen wunderschönen Wald zu maschieren oder durch die schönste Stadt der Welt zu hetzen, ohne stehen zu bleiben. Stehen zu bleiben, um zu sehen und zu genießen, sich den Dingen zu erfreuen, die einen glücklich werden und entspannen lassen.
Deshalb muss ich leider, und wenn es mir auch noch so sehr wehtut, zugeben, dass der Weg mit Ediths, so wie ich ihn beschritten habe, nicht richtig war. Mein Gründungsgrund war damals nur: Menschen glücklich zu machen. Ich war so naiv zu glauben, dass dann der Erfolg von alleine kommt und ich schon irgendwann damit Geld verdienen würde. Denn so predigen es einem die ganzen Gründungsbücher, nicht wahr? Aber das reicht nicht. Ein Unternehmen muss und sollte in allererster Linie wirtschaftlich funktionieren. Geld bringen! Dem Inhaber ein Gehalt ermöglichen und Gewinne erwirtschaften und am besten möglichst hohe, damit es nicht bei der kleinsten Schieflage schließen muss. Wer das nicht von seinem Unternehmen behaupten kann, sollte schauen, wie man es dazu bringen kann. Gibt es keinen Weg dazu, dann lasst es!

Wie es nun mit mir weitergeht? Keine Ahnung. Große Sprünge, wie eine neue Selbständigkeit, aus eigener finanzieller Kraft wird es die nächsten Jahre wohl erstmal nicht geben, dafür hängen die tausenden Euros an Schulden zu schwer an mir. Aber ich sorge dafür, dass sie mich nicht runterziehen und baue sie Monat für Monat ab, damit die Last kleiner wird.
Und mein neues Mantra - ja okkupiert aus dem Film "Best Exotic Marigold Hotel" - lautet nun:

„Am Ende wird alles gut. Und wenn noch nicht alles gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende.“